Einen Monat lang keinen Alkohol, keine Süßigkeiten und Intervallfasten. Ich hatte mir viel vorgenommen. Ein kleines Experiment, nur für mich. Nach der Völlerei an Weihnachten, mit drei- bis viergängen Menüs, reichlich Lebkuchen und vielen schweren Rotweinen, sehnte ich mich im Januar nach frischem Gemüse, leichter Kost, entgiften. Nach einem Monat gefühlt zu viel von Allem, wollte ich nun ein bisschen weniger von Allem.
„Wir machen das“, sagt Björn. „Ich glaube, das könnte richtig gut werden“.
Ich blicke noch einmal auf die Fotos, die wir von unserem ersten Besuch auf dem 16 Ar großen Grundstück gemacht haben: Grünes Gestrüpp wohin man schaut, wilde Brombeerhecken, verwachsene Büsche, Sträucher und Bäume, überdimensionale Hecken – Das wird richtig viel Arbeit, denke ich etwas verunsichert, doch ich merke wie sich tief in mir eine wohlig-warmes Gefühl breit macht. Das grüne, wilde Ungetüm hat mein Herz erwärmt.
„Ok, wir machen das. Ich bin dabei. Das wird unser Projekt!“
Mist. Ich habe den Hermann vergessen. Schon wieder. Ich sollte mir wirklich angewöhnen einen Wecker zu stellen, oder einen Alarm im Handy. Ob der Teig noch in Ordnung ist? Vorsichtig hebe ich das Handtuch von der Schüssel und schnuppere.
Neben Schokofrüchten und Glühwein sind mir Maronen die liebste Weihnachtsmarktleckerei. Ich komme sofort in Weihnachtsstimmung, sobald ich den nussigen Geruch wahrnehme. Doch jedes Mal auf den Weihnachtsmarkt, wenn ich Gelüste nach einer Portion Esskastanien bekomme? – Nein.
100g Weizenmehl, 150g Zucker, 150ml Milch. Ich holte alles aus dem Vorratsschrank und stellte es zu Hermann auf den Tisch. War es wichtig ob es H-Milch oder Vollmilch ist? Da ich nur H-Milch hatte verdrängte ich den Gedanken sofort wieder, denn ich hatte wenig Lust nur wegen einer Packung Milch heute die Wohnung zu verlassen. Es war November, kalt und ungemütlich.
Ananas gehörten nie zu meinen persönlichen Obstfavoriten. Doch die Früchte direkt auf der Plantage bei der Aufzucht zu sehen, hat mein Verhältnis zu ihnen verändert. Seit unserem Besuch auf der Ananasplantage Arruda auf der Azoreninsel Sao Miguel bin ich ein großer Ananasfan geworden!
Hermann wohnt auf dem Küchenbalkon. Nach der „Übergabe“ hatte ich ihn erst einmal aufgrund des Platzmangels dorthin verbannt. Für die Einweihungsparty wurde jeder Zentimeter unserer Wohnung als Abstellmöglichkeit genutzt. Erst am Wochenende danach fand ich ihn im Regal wieder, zwischen Putzmitteln und Vasen. Armer Hermann. Ich hatte ihn völlig vergessen!
„Wo liegen eigentlich die Azoren?“
wurde ich immer wieder gefragt, als ich von meinem nächsten Urlaubsziel erzählte. Gefolgt von Grübeln und Schulterzucken, wenn ich dem Fragenden die Lage dann beschrieb. Meist half dann nur ein gemeinsamer Blick auf die Karte. Wo Mallorca auf der Weltkarte zu finden ist, Kreta, Korfu oder Teneriffa, das ist vielen bekannt, doch die Azoren sind den meisten Menschen eher fremd. Noch.
„Das ist Hermann“,
sagt meine Mutter und schaut mich freudig strahlend an und überreicht mir eine Tupperschüssel.
„Aha“,
sage ich und schaue verwundert auf den Inhalt der Schüssel. Eine beigefarbene, leicht flüssige Masse schwappt mir entgegen.
„Hermann kennst du doch noch? Ach, komm. Aus deiner Kindergarten- und Grundschulzeit.“
Ich verstehe noch immer nicht, warte aber ab, was noch so kommen mag.
Wir wohnen im schönen Stuttgarter Westen. Wir, das sind Björn und ich. Seit 6 Jahren leben wir in der baden-württembergischen Hauptstadt. Im Kessel, eingerahmt von Weinbergen, zwischen nicht endenden Autostaus und Kehrwoche, zwischen kleinen Hipster-Kneipen und schicken Restaurants, nicht richtig ländlich, aber irgendwie auch nicht ganz städtisch. Ganz muggelig, wie man es schwäbisch sagt, und doch irgendwie beengt.